Mit einer Kranzniederlegung und Theateraufführung erinnerte das ZfP Südwürttemberg in Bad Schussenried an die Opfer des Nationalsozialismus. Im Mittelpunkt der Gedenkfeier stand das bewegende Stück „Was das Nashorn sah, als es über den Zaun schaute", gespielt von Mitarbeitenden und Patient:innen.
620 psychisch kranke und behinderte Menschen wurden aus der damaligen Heil- und Pflegeanstalt Bad Schussenried im Rahmen des sogenannten Euthanasie-Programms deportiert und getötet. „Es ist unsere Pflicht, ihre Geschichte zu bewahren und sicherzustellen, dass ihr Leiden nicht vergessen wird“, so einführend Dr. Bettina Jäpel, Regionaldirektorin Donau-Riss, bei der Kranzniederlegung vor dem Gustav-Mesmer-Haus. In ihrem Grußwort nahm die Ärztliche Direktorin insbesondere die aktuellen politischen Entwicklungen in der Gesellschaft in den Blick: „Mehr denn je müssen wir eine entschiedene Haltung einnehmen und die demokratischen Werte schützen.“ Mit dem heutigen Gedenken, so Jäpel, trete man gemeinsam für eine gerechtere und tolerantere Gesellschaft ein. „Wir verpflichten uns, uns für eine von Respekt, Vielfalt und Menschlichkeit geprägte Zukunft einzusetzen.“ Theresia Fischer, katholische Klinikseelsorgerin am ZfP-Standort Bad Schussenried, sprach ein abschließendes Gebet und mahnte in ihrer Ansprache wachsam zu bleiben für schutzsuchende Menschen. „Lassen Sie uns im Gedenken neuen Mut schöpfen, um zu helfen.“
Gedenken mit Theater und Musik
Zahlreiche Interessierte, darunter Führungskräfte und Mitglieder der Geschäftsleitung, waren der Einladung der Regionaldirektion gefolgt, im Anschluss das Theaterstück „Was das Nashorn sah, als es über den Zaun schaute“ anzusehen. Unter der Regie von Theaterpädagoge Alexander Marx-Pabst hatte das Ensemble, bestehend aus Mitarbeitenden und Patient:innen, das 90-minütige Stück von Jens Raschke seit März letzten Jahres einstudiert. Erzählt wird die Geschichte der „Gestreiften“ und „Gestiefelten“ aus der Perspektive von Zootieren, musikalisch begleitet durch das „Buchenwaldlied“. Im Mittelpunkt steht die Frage „Schaue ich hin oder schaue ich weg, wenn neben mir Menschen gequält und ermordet werden?“ Während der Pavian, gespielt von Michael Wimmer, allen Tieren rät, nicht zu neugierig zu sein und sich nicht einzumischen und diese aus Angst und Vorsicht lieber wegschauen, stellt der neu im Zoo eingetroffene Bär, gespielt von Philipp Breitschwerdt, unbequeme Fragen. Für Regisseur Marx-Pabst ist die Parabel ein Herzensstück. „Sie nähert sich auf eine besonders feine Art einer schweren Thematik an und passt damit auch besonders gut in die Psychiatrie.“ Schwan-Darstellerin und Erzählerin Uli Neumann-Weber ergänzt: „Es ist ein genialer Weg, uns die NS-Zeit durch die Augen der Tiere sehen zu lassen.“ „Ich musste das Skript beim Lesen immer wieder weglegen“, so Mufflon-Darsteller Stephan Schraivogel rückblickend. „Das Stück trifft einen.“
Lang anhaltenden Beifall erntete das fünfköpfige Ensemble der ZfP-Theaterwerkstatt im vollbesetzten Saal des Gustav-Mesmer-Hauses für die Aufführung, die nicht die letzte bleiben wird. Auftritte an anderen ZfP-Standorten sowie vor Schulklassen seien geplant. Regionaldirektorin Jäpel dankte dem Team um Theaterpädagoge Marx-Pabst abschließend für das große Engagement. So sei es besonders in der heutige Zeit wichtiger denn je, sich die Frage zu stellen „Schau ich hin oder schaue ich lieber weg?“